Die Alternative
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richi44
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#26
19.04.2010, 15:16

Zum Schluss noch die Weichen. Und dazu gilt es mal zu überlegen, was eine Weiche ist und können muss und was sie nicht ist und nicht tun soll.
Eine Weiche soll verschiedene Chassis so „verbinden“, dass ein homogenens Ganzes entsteht. Eine Weiche soll auf die Besonderheiten der Chassis Rücksicht nehmen, also allenfalls die Trennung etwas höher oder tiefer ansetzen und (bei einer Passivbox) den unterschiedlichen Wirkungsgrad anpassen.
Eine Weiche soll aber nicht Phasenprobleme der Chassis ausgleichen. Dies kann sie nicht oder nicht dem Chassis entsprechend und das soll das Chassis selbst oder dann taugt es nicht. Und ebenso darf eine Weiche nicht Frequenzgangfehler eines Chassis ausgleichen, weil dies ebenfalls nicht wirklich möglich ist. Eine Weiche dient der Trennung und das wars!

Die Weiche kann in zwei oder drei (oder allenfalls 4) Beriche aufteilen, mehr soll sie zunächst nicht. In einem zweiten Schritt soll die Weiche die Pegel anpassen. Und es ist sinnvoll, wenn man diese Aufgaben eigenen Bauteilen zuweist, also die Trennung den Spulen und Kondensatoren, die Pegelanpassung den Widerständen.

Jetzt gibt es Chassis mit 4 Ohm, 6 Ohm oder 8 Ohm Impedanz. Dies bestimmt letztlich wie hoch die Impedanz der fertigen Box ist. Nun gibt es käufliche Boxen mit Impedanzen von 1,5 Ohm und ähnlichem Unsinn. Davor ist einfach mal zu warnen. Ein Verstärker wird für eine bestimmte Lastimpedanz konstruiert, wobei eine Last mit höherer Ohmzahl bei Transistorverstärkern kein Problem darstellt. Da nimmt die Leistung etwas ab, aber auch die Verzerrungen. Wird die Ohmzahl aber kleiner, steigt die thermische Belastung für das Gerät, aber auch der Klirr nimmt deutlich zu. Und unter eine bestimmte Grenze (von etwa 1,6 Ohm) sollte man nicht gehen, weil es kaum Geräte gibt, die dafür tauglich sind. In unserem Fall sind Impedanzen von 4 bis 8 Ohm vorgesehen. Wird eine Weiche konstruiert, so geschieht dies immer im Hinblick auf die vorhandene Impedanz bei der Trennfrequenz. Dies sichert einerseits die volle Kompatibilität mit den Geräten (man ist nicht auf teure „Exoten“ angewiesen) und andererseits werden da auch die musikalisch bedingten Vorgaben eingehalten.

Die Weiche besteht aus Spulen, Kondensatoren und Widerständen zur Dämpfung.
   
Bei der Spule werden Luftspulen und auch Spulen mit Ferritkern eingesetzt. Die Luftspulen haben den Vorteil, dass sie nicht in eine Sättigung getrieben werden können und somit kein Klirr entstehen kann. Bei allen Spulen mit einem magnetisierbaren Kern ist dies anders. Sie haben bei gleicher Drahtmenge (gleichem ohmschem Widerstand) eine wesentlich höhere Induktivität, aber es kann da zur Sättigung kommen, sodass sich pegelabhängig die Induktivität reduziert, was letztlich zu Klirr führt. Andererseits sind Luftspulen mit höheren Induktivitäten nicht machbar oder sinnvoll.

Bei den Kondensatoren unterscheidet man zwischen Folienkondensatoren und bipolaren Elkos (gepolte, normale Elkos sind nicht zu empfehlen!). Was zu verwenden ist hängt davon ab, ob der Kondensator (wie bei einer Tieftonweiche) als Nebenschluss eingesetzt ist oder ob er direkt (wie beim Hochton) im Signalweg liegt. Im Signalweg sind Folienkondensatoren von Vorteil, als Nebenschluss reichen Elkos aus. Nur ist es z.B. bei Subwooferweichen mit Trennungen unter 100Hz kaum mehr möglich auf Elkos zu verzichten. Folienkondensatoren entsprechender Kapazität sind nicht zu bekommen. Folglich muss die geforderte Kapazität durch Parallelschaltung einzelner Kondensatoren erreicht (Addition) werden, was gross und teuer wird.

Und noch etwas zur Bauteilqualität: Folienkondensatoren sind im Hochtonbereich geringfügig besser als Elkos (der Unterschied zwischen den einzelnen Typen an Folienkondensatoren spielen aber bei einer Weiche keine Rolle, sodass man da die günstigste Ausführung wählen kann!). Der Unterschied wäre aber meist kaum zu messen und in der Regel nicht hörbar. Aber Elkos trocknen aus und dies führt zu Kapazitätsverlust, was die Weiche und damit die Wiedergabe beeinträchtigt. Will man also hohe Langzeitstabilität, so ist ein Folienkondensator besser.
Bei Spulen sind eigentlich Luftspulen klirrärmer. Aber sie sind oft nicht in der nötigen Induktivität mit einem tiefen Drahtwiderstand zu haben. Also wird man mit Vorteil Ferritspulen mit Rollenkern verwenden. Weil der Kern nicht total geschlossen ist wird die Sättigung erst bei extrem hohen Pegeln erreicht, sodass der Klirr kaum ein Thema sein sollte. Zumindest ist der Klirr des Lautsprechers selbst bei so hohen Pegeln wesentlich grösser als jener der Spule.

Da Spulen aus Kupferdraht (oder –Band) gewickelt sind wird oft von sauerstofffreiem Kupfer geschwafelt. Kupfer gibt es in zwei Qualitäten, nämlich das Schmelzkupfer (für Dachrinnen), das einen hohen Verunreinigungsgrad besitzt und Elektrokupfer, das nach der Verhüttung per Elektrolyse gewonnen wird. Dieses besitzt eine sehr hohe Reinheit, wie es für die Kabelherstellung benötigt wird. Nur nimmt auch dieses Kupfer Sauerstoff auf, sodass es letztlich kein sauerstoffreies Kupfer gibt. Die Verschlechterung der elektrischen Werte sind aber so gering, dass es letztlich kein Thema ist.
Anders sieht es mit Spulen aus Kupferband aus. Der Widerstand eines Drahtes hängt von seinem Querschnitt ab, die Kapazität von seiner Oberfläche. Um also einen geringen Widerstand zu erreichen, muss das Band breit genug sein, wenn es dünn ist. Und ist es dick, wird der Durchmesser der Spule zu gross. Man kann es drehen wie man will, das Band hat eigentlich nur Nachteile. Der grösste Nachteil ist aber die Kapazität, die sich parallel zur Induktivität bildet (die Kapazität von Windung zu Windung). Dies führt zu einem Parallelschwingkreis, der die Wirkung der Induktivität beeinflusst und der bei einer Berechnung berücksichtigt werden müsste.
   
Eine Weiche aus Spulen und Kondensatoren führt zu Phasendrehungen in Abhängigkeit der Frequenz. Und je mehr Spulen und Kondensatoren im Signalweg vorhanden sind, desto schärfer wird die Trennung, aber desto stärker ist die Phasendrehung. Haben wir nur eine Spule im Tieftonzweig, so ist die Phasendrehung bei der Trennfrequenz (-3dB) 45 Grad, im Maximum (weit ausserhalb der Trennung) 90 Grad. Die Steilheit ist aber nur 6dB pro Oktave (erstes Filter links)
Verwenden wir eine Spule und einen Kondensator, so kann die Phasendrehung über 45 Grad bei –3dB gehen und erreicht im Maximum 180 Grad. Die Steilheit wird dafür 12dB pro Oktave. Und je nach Verhältnis von C zu L und Z des Lautsprechers ändert sich der Pegelverlauf und die Phasenlage im Bereich der Trennung. Würde man bei einer optimal steilen Trennung (12dB) mit gutem Impulsverhalten (Butterworth mit Güte von 0,7) die Lautsprecher phasengleich anschliessen, so ergäbe dies bei Sinusmessung im Bereich der Trennungen Pegeleinbrüche, weil die Lautsprecher gegeneinander arbeiten und es somit zu Auslöschungen kommt. Der Anschluss wird daher üblicherweise wie folgt vorgenommen:
   
Haben wir aber einen Signalsprung, so wird der Hochtöner sofort positiv ausgelenkt, der Tieftöner mit einer deutlichen Verzögerung ebenfalls positiv. Der Mitteltöner würde mit leichter Verzögerung reagieren, würde aber negativ angesteuert. Das ergäbe dann eine Sprungantwort in diesem Sinne:
   
Hier ist deutlich zu erkennen, dass der Mitteltöner, der zeitlich zwischen Hochtöner und Bass liegt, verkehrt arbeitet.
Jetzt kann man sich fragen, wie man das Problem lösen könnte. Würde man aus dem „Weichenprinzip“ die 6dB-Schaltungsvarianten verwenden, hätten wir das Problem gelöst, weil die Phasendrehung klein genug bleibt, sodass wir die Lautsprecher gleichsinnig anschliessen können. Aber wir bekommen ein anderes Problem: Die geringe Steilheit führt dazu, dass die Leistung für jeden Lautsprecher zunimmt und somit die einzelnen Chassis überlastet werden könnten. Man kann aber auch die Steilheit durch entsprechende Wertewahl so legen, dass im eigentlichen Trennbereich eine Steilheit von 6dB erreicht wird, dass aber jeweils eine Oktave über bezw. unter der Trennung die Steilheit auf 12dB ansteigt. Die damit zunehmende Phasendrehung ist aber kein Problem mehr, da der Pegel bereits so weit abgenommen hat, dass sich keine „Löcher“ ausbilden können. Was also auf den ersten Blick aussieht wie die obige 12dB-Weiche ist in Tat und Wahrheit eine 6dB-Weiche. Der Unterschied liegt in den Bauteilwerten, die ja hier noch nicht eingetragen sind.
   
Das ist die Basis der Weichen (bei Zweiwegboxen entfällt der Mitteltonbereich und im Bass sind keine Ferritspulen und keine Elkos im Einsatz, sondern Luftspulen und Folienkondensatoren). Nun müssen noch die unterschiedlichen Wirkungsgrade der Lautsprecher angeglichen werden. Dabei ist zu beachten, dass man einen Tieftöner nicht dämpfen kann, sondern nur Mittel- und Hochtöner. Daher muss der Wikungsgrad von Mittel- und Hochtöner immer gleich oder grösser sein als jener des Tieftöners.
Hier die Dämpfung mit den Widerständen:
   
Die „Gruppe“ zwischen den beiden Kringeln ist anstelle des reinen Lautsprechers ins Weichenschaltbild einzufügen.

Weil ich bei den Mitteltönern als Hauptlautsprecher hohe Linearität verlange ist die Auswahl relativ beschränkt. Damit müssen halt die Wirkungsgrade (Kennschalldruck) der Tieftöner entsprechend liegen. Und dies beschränkt wiederum die Auswahl.

Und in der Gruppe der Tieftöner gibt es einen Typ (Tangband W8Q-1071), der vorzugsweise nicht über 200Hz eingesetzt wird, weil die Wiedergabe wellig wird. Andererseits gibt es den Mitteltöner Monacor DM-75TB, der erst ab etwa 350 bis 400Hz sinnvoll einzusetzen ist (für höhere Pegel erst ab 500Hz). Das bedeutet, dass man richtigerweise den W8Q-1071 nicht mit dem DM-75 kombinieren sollte.

Noch eine Ergänzung: Der seinerzeit vorgeschlagene Schallwand-Tieftöner SPW-170/8 ist zwar bei Strassacker noch im Programm, bei Monacor aber nicht mehr. Dieser wurde durch den SPW-165/8 ersetzt.

Hier eine Tabelle mit den einzelnen Boxenkonstruktionen und den nötigen Trennfrequenzen sowie den Pegelanpassungen und allen Weichenbauteilen:
   
Diese Tabelle ist mit den Verlustwiderstände erweitert und das Gehäusevolumen und die Bassreflexrohre entsprechend korrigiert. Als Basis dienen Interechnik-Spulen, die ja bei verschiedenen Anbietern zu bekommen sind.
Kritisch sind folgende Bauteile: Die Tieftonspulen Lt, die Mitteltonkondensatoren Cm1 und die Spulen Lm2 sowie die Hochtonkondensatoren. Es lohnt sich da, vernünftige Qualität einzusetzen, es lohnt sich aber nicht, überteuerten exotischen Humbug zu verbauen. Wichtig ist immer daran zu denken, dass ein Pegelfehler von 10% rund 1dB bedeutet. Und wenn es Kondensatoren gibt, die sich im Bereich von 0,0001% unterscheiden, so kann man sich die Wirkung etwa ausrechnen. Der Unterschied ist tatsächlich nur der Preis und da gibt es besseres (ein Glas Wein) fürs Geld.

Im Grunde habe ich versucht, die angestrebten Daten so gut als möglich zu erreichen. Allerdings ist dies mit Leistungswiderständen, belastbaren Spulen und hochkapazitiven Kondensatoren nicht so einfach. Im Gegensatz zu den Widerständen im Elektronikbereich sind hier genauere Dinger als 5% kaum zu beschaffen. Es macht aber auch keinen Sinn, weil weder die Lautsprecher selbst noch die anderen Bauteile diese Genauigkeit aufweisen. Und um 1dB brauchen wir auch noch nicht zu streiten, das fällt beim Frequenzgang im Abhörraum nicht auf. Lästig wird es einfach, wenn nicht die komplette E12-Reihe erhältlich ist. Das ist im Grunde nicht einzusehen, aber gerade bei den Kondensatoren ist bei Strassacker (nur als Beispiel) nicht alles erhältlich, was bei anderen Firmen zu bekommen ist. Es lohnt sich also die verschiedenen Firmen in dieser Richtung zu untersuchen.

Mit diesen Angaben und einer Portion „Designerblut“ ist es möglich, den hochwertigen eigenen Lautsprecher zu bauen, der sich im allgemeinen Umfeld mehr als nur gut ausnimmt.
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